Stand: 27.03.2024, 09:16 Uhr
Maintal – 150 Jahre Gesangverein Eintracht 1874 Bischofsheim – für den Verein ist es ein ganz besonderes Jubiläumsjahr, das zum Auftakt mit einer akademischen Feier im Haus der Begegnung gebührend gefeiert wurde. Mit Grußworten, Ehrungen und natürlich mit viel Musik und Gesang.
Unter den Gästen konnte die Vorsitzende Gabriele Herzog – die erste Frau in dieser Position – mit Bürgermeisterin Monika Böttcher, Ersten Stadtrat Karl-Heinz Kaiser und Stadtverordneten Martin Fischer Vertreter der Stadt Maintal begrüßen. Landrat Thorsten Stolz, „Hausherr“ Pfarrer Hans-Hermann Klüh und Carsten Wikinger vom Chorverband Offenbach gratulierten in Grußworten zum Jubiläum mit besten Wünschen für die Zukunft.
Bewegende Worte von Landrat a. D. Eyerkaufer
Als Schirmherr hielt Landrat a. D. Karl Eyerkaufer eine unterhaltsame, mit Anekdoten ausgeschmückte Rede. Er habe die Eintracht in Konzerten und vielfältigen Begegnungen erleben dürfen, so Eyerkaufer, einen Verein, der sehr verbunden sei mit der Stadt und anderen Vereinen. Das breite Repertoire – zeitgenössische Chorliteratur, Musik aus Opern, aber auch Gospel und Pop – zeuge von enormer Singfreude und Leistungsfähigkeit. Er erinnere sich gerne an das erste Zusammentreffen zur Einweihung des Bürgerhauses in Bischofsheim vor fast 50 Jahren. Er selbst habe die soziale Kompetenz des Vereins erleben dürfen, als die Mitglieder in einer spontanen Sammelaktion 800 Euro spendeten, eine Summe, die ausreichte, um nach dem verheerenden Tsunami 2004 in Beruwala auf Sri Lanka ein Haus für die Familie eines Fischers aufzubauen.
Ein echter Traditionsverein
Landrat Stolz hob hervor, dass ein Traditionsverein wie die Eintracht „Dreh- und Angelpunkt für das gesellschaftliche Leben in Maintal“ sei. Etwa 10 000 Menschen sind in Gesang- und Musikvereinen im Main-Kinzig-Kreis aktiv und leisten damit einen wertvollen Beitrag zum gesellschaftlichen Leben. „Musik verbindet Menschen über Generation und Nationalitäten“, so der Landrat. Drei weitere Aspekte wolle er hervorheben: „Heimat, Stolz und Dankbarkeit. Für mich gehören Gesangvereine zur Heimat, neben Familie, der Städte- und kulturellen Landschaft.“ Der Verein könne stolz auf eine 150-jährige Geschichte zurückblicken, auf eine Entwicklung mit Höhen und Tiefen. Als letzten Punkt wolle er seine Dankbarkeit aussprechen an alle Frauen und Männer, die sich engagieren und den Vorstand unterstützen. „Bewahren Sie sich Ihre Begeisterung und geben Sie ihre Begeisterung weiter. Bleiben Sie musikalischer Botschafter des Stadtteils!“
„Mehr als ein Hobby“
Maintals Bürgermeisterin Monika Böttcher dankte dem Vorstand und Vereinsmitgliedern für ihr Engagement. „Getragen wird das Kulturleben in einer Stadt wie Maintal durch die Vereine“, sagte sie und sicherte die Unterstützung durch Politik und Verwaltung zu. In einem der ältesten Maintaler Vereine spiegele sich Zeitgeschichte und die Geschichte der Stadt wider. Der Gesangverein sei „mehr als ein Hobby“, sondern ein Ort, an dem Menschen ihrer Leidenschaft nachgingen und Freude fänden. Stadtverordnetenvorsteher Fischer, der auf eigene Erfahrungen im Kirchenchor zurückblickte, ging auf die zahlreichen Festumzüge, Auftritte und Jubiläen ein, an denen der Gesangverein mitwirkte. Dann gab er ein persönliches Versprechen: „Sollte sich der Gesangverein an das Weihnachtsoratorium trauen, dann bin ich dabei.“
Wissenwertes und Meilensteine zum Gesangverein Eintracht
Im Jahr 1874 gründeten sich zwei Gesangvereine in Bischofsheim: die „Eintracht“ und der „Volkschor Liederlust“, die in freundschaftlicher Konkurrenz verbunden waren. Der gemischte Volkschor war ein „Arbeiterverein“, Mitglieder des Männerchors kamen aus dem bürgerlich-konservativen Milieu. Dennoch feierten die Vereine 1899 und 1999 ihr 25- und 125-jähriges Jubiläum gemeinsam. Erst vor kurzem, so erzählt es Kassierer Dr. Johannes Becher, ist eine Original-Plakette von 1899 bei einem Mitglied entdeckt worden.
■ Von Anfang an, von 1874 bis 1968, war das Gasthaus Krone das Vereinslokal der Sänger. Kronenwirt Andreas Keller zählte zu den Gründungsmitgliedern. Von 1968 bis 1975 trafen sich die Eintrachtler im Rathaus Bischofsheim. Seit nun fast 50 Jahren wird wöchentlich im evangelischen Gemeindehaus geprobt.
■ Laut Liste wurde der Gesangverein Eintracht von 35 Männern gegründet. Der Verein wuchs stetig, hatte 1921 bereits 121 zahlende Mitglieder. Bis Ende 1933 sind 237 Mitglieder aufgelistet. Von 1944 bis 1948 wurde eine Vereinssperre verhängt. Mit Wiederaufnahme der Vereinstätigkeit 1948 sind 100 Mitglieder registriert, der Verein wächst stetig und erreicht 1981 den bisherigen Höchststand von 265 Mitgliedern. Derzeit sind von 135 Mitgliedern rund 80 aktive Sängerinnen und Sänger, die zum Teil im Traditionschor und in der Formation „Voices of Harmony“ singen. In den vergangenen beiden Jahren verzeichnete der Verein einen leichten Mitgliederzuwachs.
■ Auf dem Festplatz am Wald führte der Gesangverein Eintracht 1874 Bischofsheim die erste Kerb über mehrere Tage durch. Das Fest im September war über Jahrzehnte sehr beliebt und wurde bis 1994 unter der Federführung verschiedener Vereine durchgeführt. Mit vereinten Kräften stellte man ein 2000-Mann-Zelt auf, es gab einen riesigen Festumzug. Mit dem Straßenfest, das – mit Beteiligung der Eintracht – ebenfalls im September seit 1980 in Bischofsheim gefeiert wird, sinkt das Interesse an der Kerb immer mehr.
■ Sergio Goldberg war es, der 2003 die für einige Männer bittere Wahrheit aussprach. Als reiner Männerchor könne man bald keine Konzerte mehr geben. Nach fast 130 Jahren traditionellem Männergesangverein reihen sich seit 2003 Frauen im Traditionschor. „Das war für uns eine große Sache, die Chorliteratur war nun eine ganz andere für gemischten Chor. Nicht alle Sänger waren einverstanden, sie kamen nicht mehr zu den Proben oder traten aus. Im Gegenzug brachten Männer ihre Frauen mit und umgekehrt“, erinnern sich Egon Schneider, Wolfram Eschelbach und Johannes Becherer. Mit Gabriele Herzog wählten die Vereinsmitglieder 2019 zum ersten Mal eine Frau als erste Vorsitzende. Ein weiterer Meilenstein war 2009 die Gründung der „Voices of Harmony“, die überwiegend moderne Gospel und Rock-Songs darbieten.